Veränderung kann schnell gehen. Das ist eine gute Nachricht für das Projekt, an dem die Stadtplanerin Helge Mehrtens aus Bremen mit ihrem Team in Durban arbeitet. Im Auftrag der Städtepartnerschaft Bremen-Durban kümmert sich die Expertin zurzeit darum, KwaMashu, ein Township etwa 20 km nördlich der südafrikanischen Stadt, mit einem etwas hektisch aus dem Boden gestampften neuen Stadtteilzentrum namens Bridge City zu verbinden. Und dazu muss sich etwas ändern.
KwaMashu ist wie alle Townships Südafrikas ein mieses Erbe der Apartheid. Städteplanung damals hieß, dass das Regime Städte in Gebiete für Weiße und Nicht-Weiße aufteilte. Die besseren Gegenden wurden für die weiße Bevölkerung reserviert. Per Umsiedelungsbeschluss wurden alle Nicht-Weißen in die weniger attraktiven Stadtteile verbannt und abgeschottet – meist von den Stadtzentren oder wie in Durban von den Stränden – eben von allem, was eine Stadt lebenswert macht.
Noch heute existieren diese Townships ohne ausreichende Infrastruktur, ohne echte Einkaufsmöglichkeiten, ohne Krankenhäuser – KwaMashu ist ein reines Wohnviertel. Arbeitsplätze, Geschäfte und alle Ämter befinden sich im alten weißen Stadtzentrum. In Durban haben die meisten Weißen zwar kurz nach dem Ende der Apartheid fluchtartig die Innenstadt verlassen und leben nun etwas außerhalb, zum Beispiel in Umhlanga (das „hl“ aus dem isiZulu wird übrigens ungefähr wie ein „sch“ ausgesprochen). Die Bewohner von KwaMashu sind aber auch mehr als zwei Jahrzehnte nach Ende der Apartheid immer noch abgeschottet von der Durbaner Infrastruktur.
KwaMashu ist nur schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden, der in Durban ohnehin noch ausgebaut werden muss – eine der Hauptaufgaben übrigens für Helges Chef bei der Initiative „Go! Durban“. Der Weg in die Innenstadt ist für die KwaMashuer*innen richtig teuer. Bis zur Hälfte ihrer Monatslöhne müssen sie für Fahrten in Sammeltaxis zu ihren Arbeitsstätten ausgeben.
Das neue Stadtteilzentrum Bridge City, ein Einkaufszentrum mit Apotheken, Ärzten, Bahnhof und vielen Kleinunternehmen, soll mehr Lebensqualität bringen für die rund eine Million Bewohner der umliegenden vier Townships. Nur … Bridge City ist derzeit für die Bewohner*innen von KwaMashu gar nicht so einfach erreichbar.
Dazu muss man wissen, dass die Stadt Durban sich über Hügel erstreckt. Und die sind steil. Bridge City liegt ganze 20 Meter über dem Niveau von KwaMashu, einen richtigen Zugang gibt es nicht. Die Fläche, die KwaMashu und Bridge City trennt, wurde einst als natürliche Barriere genutzt. Es mag lächerlich klingen, aber diese Freifläche ist kaum zu überwinden. Dichtes Unterholz und eine mehr als üppige Vegetation machen die Durchquerung fast unmöglich, obwohl ein mehrköpfiges Team täglich damit beschäftigt ist, alles zurechtzustutzen. Mit dem Filmteam durch dieses Unterholz zu stapfen, war eine Aufgabe für sich – die noch etwas prickelnder wurde, als uns am Rande eines kleinen Baches gesagt wurde, dass es dort überall Schlangen gibt. Giftige. Wie die Schwarze Mamba.
Natürlich gibt es Trampelpfade, die durch das Dickicht führen. Es gibt aber auch noch kleine Flussläufe, die tief in den Boden schneiden und über die es keine Brücken gibt. Der Höhenunterschied von gut 20 Metern ist derzeit nur über eine einzige informelle Treppe zu bewältigen, die ihren Namen nicht wert ist. Die größte Gefahr ist allerdings, Opfer eines Raubüberfalls zu werden. Auf der Freifläche werden ständig Passanten überfallen und ausgeraubt. Sogar die Schulkinder. Mit dem Filmteam dürfen wir uns hier nur mit Sicherheitsleuten bewegen. Die Freifläche wird offiziell als „not safe“ deklariert, wie viele Gebiete in KwaMashu, in Durban und in ganz Südafrika, die dadurch No-Go-Areas für die Bevölkerung sind.
Das zu ändern, daran arbeiten Helge und ihre Kolleginnen. Sie wollen KwaMashu und die Freifläche zurückgewinnen, und zwar gemeinsam mit den Bewohner*innen. Wie sie das anstellen? Mit viel Geduld und Initiative, mit dem Bau von Brücken über die Flussläufe, einem Bike Park für Kinder und Jugendliche und vielen weiteren Freizeitangeboten, die auf der Fläche stattfinden. Mit vielen kleinen Schritten und Erfolgen erobern sich die Menschen ihren Stadtteil und ihre Freiflächen zurück. Dass dieser Ansatz funktioniert, hat sich bereits im Bulver Park gezeigt, der im Durbaner Stadtteil Glenwood liegt.
Dort waren es die Bewohner*innen irgendwann leid, dass sie ihren Park nicht betreten konnten, ohne ausgeraubt zu werden. Vor ein paar Jahren ergriffen sie schließlich die Initiative, räumten das Gelände auf, zeigten Präsenz und konnten mit etwas Unterstützung sogar ein kleines Open-Air-Gym anlegen (ein Renner in Durban!). Zwei, drei Jahre hat es gedauert, bis sie den Park zurückerobert hatten, erzählt Helge. Heute ist Bulver Park „safe“, am Nachmittag, wenn die Büros und Schulen schließen, strömen Kinder und Erwachsene in den Park. Sie picknicken, spielen, joggen, skaten oder pumpen … Veränderung kann manchmal schnell gehen.