Kenia: Über Avocados, organisierte Kriminalität und Drogen im Straßenverkehr.

Nördlich von Nairobi, im kenianischen Hochland, ist die Avocado ein Riesenthema, denn für viele Kleinbauern sind Avocados eine Möglichkeit, zusätzlich zur Subsistenzwirtschaft Geld zu verdienen.

Der Hunger nach dem Superfood Avocado ist gewaltig. Die meisten Abnehmer sitzen in Europa. Das klingt nach einer guten Einkommensquelle, wenn da nicht die EU-Standards wären. Höchstens ein Drittel der geernteten Avocados erfüllen die EU-Vorgaben, der Rest wird aussortiert und für wenig Geld auf den lokalen Märkten verkauft. Bis die Export-Avocados in einem Kühlcontainer landen, der nach Europa transportiert wird, gibt es noch eine ganze Reihe von Zwischenhändlern, die den Gewinn abschöpfen – bei den Bauern bleibt nicht viel hängen.

Wir wollten sehen, wie es auch anders gehen kann.

Es ist noch dunkel und kalt als wir früh morgens in Nairobi losfahren. Aber wir wollen vor dem täglichen Mega-Stau auf der Thika Road aus der Stadt raus sein.

Nach zweistündiger „anstrengender Autofahrt“  – anstrengende Autofahrt ist in Kenia eine beliebte und weit verbreitete Tautologie, denn jede Autofahrt ist hier anstrengend – kommen wir in Makuyu, im Murang’a County an, wo die Firma Olivado ihren Sitz hat.

Nachhaltig und biologisch

Die Firma ist ursprünglich aus Neuseeland und hat hier eine Produktionsstätte aufgebaut. Sie versucht, möglichst kohlenstoffneutral, nachhaltig und biologisch zu produzieren. 2.000 Bauern und Bäuerinnen arbeiten mit Olivado zusammen.

Firmengelände von Olivado

Avocados brauchen sehr viel Wasser, aber in der Region gibt es genug, und die Bauern setzen kaum Chemikalien ein – auch weil ihnen das Geld dafür fehlt. Also alles bio, wenn auch nicht ganz freiwillig.

Aus den Avocados, die nicht für den europäischen Markt geeignet sind, wird Avocado-Öl hergestellt. So kann die Firma den Bäuerinnen die Abnahme aller Früchte garantieren.

Mit der Nachhaltigkeit macht das Unternehmen ernst – aus dem, was bei der Ölpressung übrigbleibt, gewinnt Olivado Biogas, um damit seine Generatoren zu betreiben.

Organisierte Kriminalität

„Der Klimawandel ist auch hier ein großes Problem“, erzählt uns der CEO Gary Hannam im Interview, „aber was uns noch mehr Sorgen macht, ist die organisierte Kriminalität. Die Nachfrage nach Avocados ist so groß, dass Banden nachts systematisch Raubzüge starten, um im großem Stil Avocados von den Bäumen zu klauen – die dann mit gefälschten Papieren containerweise exportiert werden. Das hat eine Form angenommen, die unsere Existenz und die der Bauern ernsthaft gefährdet“.

Interview mit Peter Mungai

Am nächsten Tag fahren wir – wieder sehr früh – ein zweites Mal in das Murang’a County, um einen Avocado-Farmer zu besuchen und uns erklären zu lassen, wie der Anbau und die Ernte funktionieren. Die Farm liegt abgelegen in einer grünen, hügeligen Landschaft. Die Menschen, die uns hier begegnen, leben von dem, was sie auf ihren eigenen Feldern anbauen: Mais, Maniok, Bohnen, Bananen und Süßkartoffeln.

Vorbereitung für das Interview mit Peter Mungai

Für Peter Mungai bedeutet das Einkommen, das er mit Avocados erzielt, einen großen Unterschied, erklärt er uns. Avocados bringen Geld in die Kasse. Auch wenn es erstmal drei Jahre dauert, bis so ein Baum Früchte trägt.

Die Avocados werden von Hand mit einer Art Schmetterlingsnetz geerntet, die Stängel abgeschnitten, die Früchte nach Größe sortiert und dann vorsichtig in Kisten gepackt und gewogen, bevor sie ihren Weg ins Kühlhaus und eventuell nach Europa antreten.

Zurück nach Nairobi – Drogen im Straßenverkehr

Auf dem dreistündigen Rückweg nach Nairobi werden wir immer wieder von kleinen Konvois überholt, die mit einem Affenzahn, unter lautem Hupen und ohne Rücksicht auf den Gegenverkehr an uns vorbeiziehen.

Wir fragen unseren Fahrer James Wanga, ob das Politiker sind oder VIPs. Er lächelt nur und sagt: Dare Devils. Dann erklärt er, dass es sich dabei um Kath-Transporte handelt. Kath, das hier Miraa heißt, besteht aus den Spitzen und Blättern des Kathstrauches. Die Droge ist legal und wird nicht nur in Kenia begeistert gekaut, sondern auch nach Somalia exportiert. Vor allem ist Miraa ein extrem lukratives Produkt. Sobald jemand eine Plantage besitzt, ist es so, als würde Gold an seinen Bäumen wachsen. Die Pflege ist leicht, der einzige Aufwand ist die Ernte. Die Gewinnmarge ist entsprechend hoch.

Miraa verliert aber zwei bis drei Tage nach der Ernte seine Wirkung, das Zeug muss also so schnell wie möglich zum Kunden gebracht werden. Das erfordert eine ausgetüftelte Transport-Logistik, unter konsequenter Nichteinhaltung von Verkehrsregeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen.

Und da kommen die Dare Devils ins Spiel, die das Miraa zum Wilson-Flughafen nach Nairobi bringen, erzählt uns James. Am Flughafen warten startbereit kleine Propellermaschinen, um das Miraa auszufliegen. Wenn die Fahrer es im dichten Verkehr nicht rechtzeitig schaffen, die Ware abzuliefern, müssen sie eine satte Strafe an die Händler bezahlen.

Wir sind froh, dass wir spät, aber unbeschadet in Nairobi ankommen und schließen uns ganz deutlich der Forderung an: Keine Drogen im Straßenverkehr. 

Übrigens: Das Internet ist voll mit Videos von verrückten Miraa-Fahrern, wenn ihr mal schauen wollt.

Hintergrund

Die internationale Initiative „Water and Energy for Food“, beschäftigt sich mit der Frage, mit welchen Innovationen man die Lebensmittelproduktion verbessern kann und das auch noch klimafreundlich, energieeffizient und wassersparend?

Die Initiative hatte FLMH damit beauftragt, in Kenia innovative Ansätze in der Landwirtschaft zu dokumentieren.