„Bring the kids!“ Enthusiastisch dirigiert die kleine Frau im blauen Nice-View-Reporters-Shirt die Masse aus Lehrkräften und Schüler:innen. Überall blicken uns nervöse, aufgeregte Gesichter entgegen. Gleich werden die Ergebnisse der vergangenen Woche vor der gesamten Schule präsentiert.
Denn es ist wieder Februar – und wieder einmal sind wir in Msambweni im Südosten Kenias, um den Jugendlichen der Nice View Academy im Rahmen einer Projektwoche Medienkompetenz zu vermitteln. Alles wie immer also? Mitnichten. Denn dieses Jahr geht es nicht nur um die verschiedenen Aufgaben von Reporter:innen, sondern auch darum, mit der neuen Generation an Nice-View-Reporters das brennende Thema unserer Generation zu diskutieren: den Klimawandel. Und was wir dagegen tun können.
Jetzt ist es so – wir können Medien, und wir können auch Klimaaktivismus. Aber Klimaaktivismus in Kenia? Das können Kenianer:innen besser. Eine, die das richtig gut kann, ist Dorcas Wakio Mungu, die kleine Frau, die für uns das Nice-View-Reporter-Shirt angezogen hat. Vor vier Jahren hat sie die Janta Organization mitgegründet, die eng mit Schulen, Institutionen und der Gemeinde zusammenarbeitet, um ein Bewusstsein für den Schutz der begrenzten Ressourcen zu schaffen und den Klimaaktivismus vor Ort voranzutreiben.
Um dieses große Thema irgendwie aufzudröseln, nähern wir uns dem Ganzen aus verschiedenen Perspektiven. Nach einem ersten thematischen Input von Dorcas teilen wir die Jugendlichen dafür in drei Gruppen auf: Wind, Water und Sun. Die Gruppen machen sich auf den Weg, um Feldforschung zu betreiben. In klassischer Nice-View-Reporter-Tradition führen sie Interviews, machen Fotos und Videos, alles, um herauszufinden: Wie macht sich der Klimawandel in Msambweni bemerkbar? Und wie können Schüler:innen und Einwohner:innen selbst aktiv werden?
Gruppe Water macht ihrem Namen alle Ehre und darf an den Strand. Hier sprechen die Schüler:innen mit Fischern aus dem Ort. Die bemerken vor allem, dass ihnen in den letzten Jahren nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Verschmutzung der Meere immer weniger Fische ins Netz gingen. Ihr Lebensunterhalt ist bedroht. Mit Fischfang wird hier ohnehin niemand reich, aber wenn es dann auch noch immer weniger Fische gibt, führt das zu Reibereien unter den Fischern. Neue Netze, Reusen und Angeln kann sich auch keiner mehr kaufen.
Für Gruppe Sun geht‘s ebenfalls an den Strand. Die Reporter:innen treffen in einem der kleinen Ressorts am Strand Stacy, die Managerin des Sawasawa Beach House. Stacy berichtet, wie sie versucht, den Auswirkungen der immensen Hitze und Trockenheit auf ihr Business zu trotzen. Denn viel Hitze bedeutet auch wenig Wasser. Häufig fallen im Hotel schon mal die Duschen oder die Toilettenspülungen aus. Außerdem – das wissen wir schon von den Fischern – wird es zunehmend schwieriger, für das Restaurant frischen Fisch zu organisieren. Stacy hat einen neuen Brunnen anlegen lassen, um an das tiefer in der Erde liegende Wasser zu gelangen. Auch hat sie mehr Schattenplätze errichten lassen, damit ihren Gästen in der Sonne nicht zu heiß wird.
Die dritte Gruppe, Team Wind, macht sich auf den Weg zum Kenya Medical Training College. Die 20 Medizinstudent:innen stellen sich geduldig den Fragen der Nachwuchsreporter:innen. Besonders spannend ist, dass die Student:innen aus verschiedenen Landesteilen Kenias stammen, sie können also auch die spezifischen Probleme ihrer Heimatregionen schildern. Klar ist: Die Wasserknappheit und die extreme Hitze sorgen nicht nur für schlechtere Ernten, der Klimawandel bringt auch neue Krankheiten mit sich – oder verschärft ohnehin schon bestehende medizinische Probleme wie Typhus, Dengue-Fieber und Malaria.
Natürlich wollten wir auch wissen, wie Klimaaktivismus auf msambwenische Art funktioniert. Da passiert ‘ne ganze Menge! Eine halbe Fußstunde von unserer Unterkunft entfernt hat sich eine Frauenkooperative gegründet, die sich der Wiederaufforstung und damit dem Erhalt der Mangrovenwälder an der Küste verschrieben hat. Das Projekt finanziert sich mit Mikrokrediten, und langfristig hoffen die Frauen, dass sie mit ihrem Projekt am CO2-Handel teilnehmen und sich damit finanzieren können.
Im rund 40 Kilometer entfernten Diani, einem Touristenhotspot, lernen wir Marine Education Centre über die vom Klimawandel bedrohte (Meeres-)Tierwelt. Und wie Upcycling oder Beach-Clean-Ups helfen können, die Tiere – vor allem die Schildkröten – zu schützen. Hingefahren sind wir mit allen drei Gruppen: Mehr als 40 Schüler:innen, Lehrer:innen und FLMHler:innen, gequetscht in drei Matatus. Auf einmal erscheint uns hier nichts mehr unlösbar.
Am Ende dieser Woche sind wir erschöpft und glücklich, aber vor allem beeindruckt. Unsere Ausflüge und die vielen innovativen, pragmatischen Lösungen haben uns einmal mehr gezeigt: Hier können wir noch viel lernen. Und dass wir diese Herausforderung nur gemeinsam bewältigen können.
Natürlich wäre diese Woche nicht ansatzweise so gut gelaufen ohne Dorcas. Mit ihr durften wir dann tatsächlich auch noch selbst Hand anlegen und Bäume pflanzen. Die Schüler:innen übernehmen im Rahmen des neugegründeten „Environmental Club“ die Verantwortung für ihr Überleben. Wir freuen uns darauf, sie nächstes Jahr gewachsen und gediehen vorzufinden. Also die Bäume. Und auch die Kids.